Forum 1
Asylwesen:
Bundesrechtliche Richtlinien -
Kantonale Umsetzung -
Betreuerische Herausforderung
Zu Beginn informierte uns Seline Gerosa, Fachspezialistin Asyl beim Staatssekretariat für Migration (SEM) über die rechtlichen Aspekte des Asylverfahrens in der Schweiz. Seit dem 1. März 2019 gelten die Verfahrensbestimmungen für das neue Asylverfahren «SEM2019» mit den Kernelementen dezentralisiertes Asylverfahren in sechs Asylregionen, unentgeltlicher Rechtschutz für die Asylsuchenden sowie Beschleunigung des Verfahrens durch Taktung und straffes Fristenmanagement. Dabei werden die Asylsuchenden nach einer ersten Anhörung zur Person und den Asylgründen für den Asylentscheid entweder dem beschleunigten Verfahren oder dem erweiterten Verfahren zugeteilt. Das beschleunigte Verfahren wird angewendet, wenn die Daten zur Person sowie der Sachverhalt vollständig erstellt werden können und keine weiteren Abklärungen notwendig sind. In diesem Verfahren erfolgt binnen 8 Arbeitstagen ein Asylentscheid. Die Beschwerdefrist beträgt 7 Arbeitstage. Bei Erhalt eines Bleiberechts tritt der Asylbewerber in einen Kanton aus, bei einem Wegweisungsentscheid erfolgt der Wegweisungsvollzug ab dem Bundesasylzentrum. Wenn der Sachverhalt nicht vollständig erstellt werden kann, erfolgt die Zuteilung in das erweiterte Verfahren. Dabei bleibt der Asylbewerber nicht in einem Bundesasylzentrum, sondern tritt in einen Kanton aus. Die Dauer bei diesen Verfahren ist sehr unterschiedlich, je nachdem, wie lange die weiteren Abklärungen dauern (einholen Beweismittel, Botschaftsanfragen etc.). Bei einem Wegweisungsentscheid ist zu beachten, ob etwas gegen den Vollzug der Wegweisung spricht. Dabei sind die Fragen nach der Zulässigkeit (stehen einem Vollzug völkerrechtliche Gründe, humanitäre oder technische Hindernisse entgegen) zu beachten. Trifft einer dieser Gründe zu, erhält der Asylbewerber eine vorläufige Aufnahmebewilligung. Dabei gelten restriktivere Regeln in Bezug auf die Ausweiserneuerung, die Bewegungsfreiheit, den Familiennachzug sowie den Sozialhilfebezug. Ist der Vollzug der Wegweisung möglich, wird dieser vom SEM angeordnet und in Zusammenarbeit mit dem Kanton durchgeführt. Der Asylbewerber hat dabei die Möglichkeit, freiwillig und selbständig in sein Heimatland zurückzukehren, allenfalls mit Rückkehrhilfe (Bezahlen des Flugtickets, Aufbauhilfe) oder unfreiwillig auf einem begleiteten Linien- oder Sonderflug. Im Anschluss teilte uns Seline Gerosa noch einige Angaben zum aktuellen Stand in Bezug auf Flüchtlinge aus der Ukraine mit. Wir haben 65'000 Personen mit dem aktiven Schutzstatus S in der Schweiz. Dieser wird gemäss einem Bundesratsbeschluss nicht vor dem 4. März 2025 aufgehoben. Eine Prognose ist nicht möglich, die weiteren Entscheide hängen vom Kriegsverlauf ab.
Im Anschluss berichtete Marco Ramseier über die kantonalen Zahlen und Aufgaben im Asylwesen. Aktuell haben wir im Kanton Basel-Landschaft 6'409 Asylsuchende. In den letzten beiden Jahren gab es einen Zuwachs von 3000 Personen. Der Kanton erwartet im 2024 wiederum eine Zuweisung von 1'500 bis 2000 Personen. Damit wäre dieses Jahr das dritte schwierige Jahr in Folge. Die Aufnahmepflicht des Kantons gegenüber dem Bund kann momentan nur durch die kantonale Unterkunft in Laufen sichergestellt werden. Damit kann der Druck auf die Gemeinden ein wenig minimiert werden. Ein weiterer Ausbau der kantonalen Plätze ist notwendig. Die Gemeinden sind weiterhin verpflichtet für Unterkunft, Betreuung und Unterstützung der Asylsuchenden zu sorgen. Die Aufnahmequote der Gemeinden beträgt weiterhin 2.6% der jeweiligen Wohnbevölkerung. Mit dem angepassten Zuweisungsprozess und der damit verbundenen Zeitspanne für die Gemeinden von 3 – 6 Monaten für die Bereitstellung einer notwendigen Unterbringung gibt es Planungssicherung und Leerstände können besser vermieden werden. Für den Kanton ist es aber oft schwierig, Personen einer Gemeinde zuzuweisen, weil diese den Bedingungen/Wünschen der Gemeinden nicht entsprechen. Zudem bringt nicht jede Person die gleichen Voraussetzungen für eine Integration mit. Die Verbleibdauer der Asylsuchenden in kantonalen Unterkünften wird länger, damit muss der Kanton mehr Integrationsaufgaben übernehmen. Die Beschulung und die Sprachförderung werden ausgebaut. Mit der im 2019 eingeführten Integrationsagenda Schweiz (IAS) und den damit verbundenen höheren Integrationspauschalen können die Kantone mehr Leistungen in den Bereichen Bildung und Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erbringen, was der Kanton Basel-Landschaft mit dem Zentrum für Integrationsförderung (ZIF) ermöglicht. Neu ist das ZIF auch für Personen mit dem Status S zuständig.
Im dritten und letzten Referat wurden die Teilnehmenden zuerst von Lutz Hahn, Head of Communications, Public Affairs & Marketing über die Firma ORS und deren Einsatzgebiete und Aufgaben informiert. Im Anschluss schilderte uns Emre Demirözü, Stv. Leitung Betreuung Nordwestschweiz, Bundesasylzentrum Basel-Stadt (BAZ BS), die Betreuungsaufgaben der Mitarbeitenden in einem Bundesasylzentrum. Die ORS übernimmt in der Region Nordwestschweiz, Bern und Westschweiz die Betreuung und Beschäftigung, die Verpflegung sowie die medizinische Grundversorgung von Asylsuchenden und gewährleistet die Betreuung rund um die Uhr. Dabei setzen die Mitarbeitenden die jeweiligen Hausordnungen und Hygienestandards durch und sind verantwortlich für die persönliche und körperliche Integrität. Im Alltag werden Hausarbeiten angeleitet und kontrolliert, Eintritts- und Austrittsgespräche durchgeführt, allfällige Transfers organisiert, die Freiwilligenarbeit koordiniert, Präsenzkontrollen und Auszahlungen durchgeführt. Dabei ist die Abstimmung mit den Behörden (SEM oder Kanton/Gemeinden), mit Sicherheitsdienstleistern (in Basel die Securitas) und allenfalls mit den Blaulichtorganisationen wichtig. Zudem fallen einige administrative und organisatorische Aufgaben, wie Arzttermine organisieren, Formalitäten ausfüllen, Support von Asylsuchenden etc. an.
Die Referate von Marco Ramseier und der ORS stehen Ihnen zur Verfügung (siehe unten). Das Referat von Seline Gerosa darf nicht veröffentlicht werden, sie steht Ihnen aber für Rückfragen zur Verfügung. In diesem Fall wenden Sie sich bitte an die Geschäftsstelle des VSO (via E-Mail oder Kontaktformular).