Sissachertagung

Sozialhilfebehörde im Wandel: Laienbehörde - ein überholtes Modell?

Die diesjährige Sissachertagung des Verbandes für Sozialhilfe Basel-Landschaft beschäftigte sich mit dem Thema Sozialhilfebehörde im Wandel: Laienbehörde – ein überholtes Modell. Im Eingangsreferat gab Pascal Coullery, Dozent an der Berner Fachhochschule, Soziale Arbeit, den anwesenden Mitgliedern der Sozialhilfebehörden des Kantons Basel-Landschaft einen Überblick über die verschiedenen Systeme, welche in den Schweizer Kantonen angewendet werden. Der Kanton Baselland zählt zu den sieben Kantonen mit ausgeprägter Gemeindeautonomie, in welchen es keine kantonalen Vorgaben für die Vollzugsstruktur gibt. Im Anschluss führte er die Chancen und Risiken von Laienbehörden aus seiner Sicht aus. Als Chancen beurteilte Pascal Coullery die Aussensicht, welche ein Korrektiv zu der möglichen Betriebsblindheit von Fachpersonen sein kann, die Vermittlerrolle zwischen Behörden und Bevölkerung, welche Laienbehörden haben können, da Debatten rund um die Sozialhilfe oft polarisierend verlaufen und die Ressourcen, welche Laien als Mehrwert oft in die Behördenarbeit mitbringen, welche einen Mehrwert in anderen Bereichen als der Sozialhilfe generieren können. Auf der anderen Seite sieht Pascal Coullery als grösstes Risiko die fachliche Überforderung von Laienbehörden im Vollzug der Sozialhilfe, welcher ausgesprochen und zunehmend komplex ist. Die Behördenmitglieder müssen über ein fundiertes Wissen betreffend Sozialversicherungen mitbringen, die verfassungsrechtlichen Vorgaben kennen und ausüben sowie sich mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip, dem Individualisierungsprinzip, dem Willkürverbot, den Grundrechtsverletzungen auskennen und diese in jedem Einzelfall anwenden können. Pascal Coullery kommt zum Schluss, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine klare Trennung von strategischen und operativen Aufgaben in der Sozialhilfe sprechen. Laienbehörden sollen eine ausschliesslich strategische Aufgabe/Aufsicht, aber über keine Kompetenzen im operativen Tagesgeschäft verfügen. Der professionelle Sozialdienst soll das Sozialhilferecht im Einzelfall vollziehen. Im Anschluss berichtet Markus Kaufmann, Geschäftsführer der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) über die Professionalisierung und Regionalisierung in anderen Kantonen der Schweiz und nimmt dafür die Kantone Bern, Luzern, Glarus und Graubünden als Beispiele. Gemäss dem Sozialhilfegesetz des Kantons Bern müssen alle Gemeinden über einen professionellen Sozialdienst verfügen, sich einem Sozialdienst einer anderen Gemeinde anschliessen oder mit anderen Gemeinden zusammen einen gemeinsamen Sozialdienst führen. Dabei entscheiden die Sozialberatungen über die Ausrichtung der Sozialhilfe in eigener Kompetenz. Dabei gibt es einen finanziellen Lastenausgleich: der Kanton beteiligt sich zu 50% an den Kosten, bestimmt aber auch mit. Der Kanton Graubünden ist in 5 Sozialregionen mit 9 regionalen Sozialdiensten organisiert. Über die Ausrichtung der wirtschaftlichen Sozialhilfe entscheiden die einzelnen Gemeinden auf Antrag der Sozialarbeitenden. Damit ist das Vier-Augen-Prinzip garantiert, gleichzeitig reden die einzelnen Gemeinden bei den fachlichen Einschätzungen bzw. der Finanzierung der Fälle mit. Der Kanton Luzern ist in drei grosse Regionalverbünde aufgeteilt, welche ein Gesamtpaket von sozialen Dienstleistungen anbieten, welche die einzelnen Gemeinden einkaufen können, dazu gehört auch die Ausrichtung von wirtschaftlicher Sozialhilfe. Als Grundbedingung gilt hier, dass jeder Sozialdienst im jeweiligen Fachgebiet über mindestens eine fachlich geeignete Person verfügen. Im Kanton Glarus wurden die Sozialhilfebehörden durch einen Entscheid der Landsgemeinde abgeschafft und die Kompetenzen für Regefälle an die fallführenden Sozialarbeitenden übertragen. Komplizierte Fälle werden von der Bereichs- oder der Amtsleitung entschieden. Für strategische Fragen wurde eine Sozialkommission eingesetzt. Übergeordnete Entscheide wie z. B. Mietzinsrichtlinien oder die Anpassung de Grundbedarfs liegen in der Kompetenz der zuständigen Regierungsrätin. Dieses System verfügt über die Vorteile, dass die Sozialhilfe überall gleich ausgerichtet wird, nur ein Sekretariat sich mit dem Intake und den administrativen Aufgaben beschäftigt, kein Aufwand entsteht, wenn jemand den Wohnsitz innerhalb des Kantons wechselt und ein fachlicher Austausch in guter Qualität und kurze Wege umgesetzt werden können. Als Fazit formuliert Markus Kaufmann, dass die Herausforderungen an die Sozialhilfe auf fachlicher, rechtlicher und personeller Sicht auch in Zukunft tendenziell zunehmen werden und die Professionalisierung der Sozialhilfe eine adäquate Antwort auf diese Herausforderungen darstellt. Für die Bewältigung der Aufgaben ist eine Mindestgrösse der Sozialdienste sinnvoll. Im dritten Referat sprechen Nuria Rubio, Leiterin Sozialberatung Arlesheim und Michael Krisztmann, Präsident der Sozialhilfebehörde Arlesheim über die Vor- und Nachteile der möglichen Abschaffung der Sozialhilfebehörden. Nuria Rubio sieht die Vorteile der Sozialhilfebehörden darin, dass die Sozialhilfebehörden die Verantwortung der Entscheide tragen und nicht die Sozialarbeitenden. Damit kann ein besserer Vertrauensaufbau zu den Klienten gewährleistet werden, da die jeweiligen Entscheide nicht durch den Sozialarbeitende gefällt wurde, sondern durch die Sozialhilfebehörde. Zudem ist das Controlling gewährleistet, die Sozialarbeitenden stehen mit den Entscheiden nicht alleine da. Auch die lokale Verantwortung wird wahrgenommen, die Behördenmitglieder wohnen in der Gemeinde und kennen die Verhältnisse und die Einwohnerinnen und Einwohner besser, als die oft von aussen kommenden Sozialarbeitenden. Im Gegensatz dazu argumentiert Michael Krisztmann, dass die Sozialarbeitenden über sehr viel mehr Fachkompetenz verfügen, als die Behördenmitglieder und deshalb die Verantwortung über Entscheide selber besser wahrnehmen können als Sozialhilfebehörden. Für das Controlling ist die Gemeindeverwaltung zuständig, da geht es um Finanzen, dieses Thema liegt sowieso in der Verantwortung der Gemeinde und aufgrund der gesetzlichen Vorgaben ist es nicht wesentlich, ob ein Behördenmitglied die Verhältnisse und Einwohnenden einer Gemeinde kennt oder nicht. Als zukunftsfähige Lösungsvorschläge aktuell sehen Nuria Rubio und Michael Krisztmann die Erarbeitung von Grundsatzentscheiden, welche in Regelfällen generell gelten und an die sich die Sozialarbeitenden halten müssen, diese aber auch ohne Rücksprache mit der Sozialhilfebehörde anwenden und Leistungen auszahlen können. Als zukunftsfähige Lösungsvorschläge stellen sich Nuria Rubio und Michael Krisztmann vor, dass in jeder Gemeinde eine Fachkommission im Sinne eines beratenden und strategischen Gremiums geschaffen werden könnte, welche interdisziplinär zusammengesetzt ist und Sozialstrategien erarbeitet. Damit ist eine schlankere Organisation möglich und eine höhere Eigenverantwortung bei der Sozialhilfe.
In der anschliessenden Gesprächsrunde mit dem Publikum wurde deutlich, dass die finanzielle und personelle Situation in den einzelnen Gemeinden einen sehr grossen Einfluss auf mögliche Zusammenschlüsse von Behörden und der Schaffung von professionellen Sozialdiensten hat. Einzelne kleine Gemeinden finden keine Behördenmitglieder mehr, andere haben nicht die finanziellen Mittel, einen professionellen Sozialdienst zu installieren und wiederum andere sind aus bestehenden Verbünden ausgetreten, weil sie keine eigenen Fälle hatten, sich aber an den Kosten des Verbundes beteiligen mussten. Viele Gemeinden verfügen über Grundsatzentscheide und machen gute Erfahrungen damit, weil damit sowohl für die Sozialhilfebehörden als auch die Sozialdienste die Arbeit erleichtert wird, die Entscheidungswege verkürzt werden oder ganz wegfallen sowie eine Gleichbehandlung der Klienten gewährleistet wird.

Die einzelnen Präsentationen finden Sie hier:

Laienbehörden: Möglichkeiten und Grenzen aus rechtlicher Sicht

Professionalisierung und Regionalisierung: Wie machen es andere Kantone?

Vor- und Nachteile der möglichen Abschaffung der Sozialhilfebehörden: Perspektiven aus Sicht der Leitung einer Sozialberatung und eines Sozialhilfebehördenmitglieds aus dem Kanton Basel-Landschaft

 

 

Neue Kurse und Weiterbildungen

Der VSO-BL bietet seinen Mitgliedern auch 2024 wiederum ein interessantes Angebot an zielgerichteten Fortbildungen und Tagungen an

Unsere organisierten Anlässe mit Daten, Zeiten und Durchführungsorten finden Sie in untenstehender Tabelle. Für Detailinformationen inkl. Anmeldemöglichkeiten klicken Sie bitte auf den kursiv und blau geschriebenen Hinweis.

Unsere beiden Foren werden wir wiederum im Filmsaal der Kaserne Liestal durchführen. Da dies militärisches Gelände ist, müssen sich die Teilnehmenden vorgängig anmelden. Es ist das gleiche Anmeldeverfahren über diese Website wie bei den Weiterbildungsmodulen. Die Foren bleiben kostenlos.

Die Module finden jeweils von 18.00 - ca. 21.00 Uhr im Coop Tagungszentrum in Muttenz statt.

Wichtig!

Bitte beachten Sie, dass Sie für Ihre Anmeldungen jeweils ein Bestätigungsmail, bei kostenpflichtigen Modulen inkl. Rechnung, auf die von Ihnen angegebene E-Mail-Adresse erhalten. Sollten Sie kein Bestätigungsmail erhalten, ist der Anmeldevorgang fehlgeschlagen. Leiten Sie bitte die Rechnung an Ihre Zahlstelle weiter.
 
Für Anmeldungen zu den Anlässen und Kursen muss in Ihrem Browser Java-Script erlaubt sein. Ist dies nicht der Fall, können zwar alle Daten eingegeben werden, aber der Anmeldeprozess wird ohne Rückmeldung abgebrochen. Es erfolgt in diesen Fällen keine Anmeldung in unserem System und Sie erhalten auch keine Anmeldebestätigung. Stellen Sie sicher, dass Java-Script im Browser vorübergehend erlaubt ist. Beachten Sie, dass Java-Script auch durch Browser Plugins blockiert werden kann.

 

Kursprogramm 2024

(allfällige Änderungen werden Ihnen rechtzeitig mitgeteilt)
 
   

 Weiterbildungsmodul

Subsidiarität

Donnerstag, 17. Oktober 2024, 18.00 - 21.00 Uhr

Coop Tagungszentrum Muttenz

Detailinformationen und
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Sozialhilfeforum 2

Zwischenbilanz Zentrum für Integration (ZIF) - wie läuft es?

Donnerstag, 24. Oktober 2024, 19.30 Uhr - ca. 22.00 Uhr

Filmsaal der Kaserne Liestal, Kasernenstrasse 13, Liestal (unterer Eingang Kantinenstrasse)

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Weiterbildungsmodul

Invalidenversicherung

Dienstag, 12. November 2024, 18.00 - 21.00 Uhr

Coop Tagungszentrum Muttenz

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